Wie alles begann

„Champion’s experience“, unter diesem Begriff war 2010 Christina Greßers Praktikum in Nigeria/Lagos ausgeschrieben. „Puuh“, dachte sie zunächst, „das klingt ja wie ein abenteuerliches Überlebenstraining oder ein harter Wettkampf.“ Heute weiß sie, es war kein bisschen übertrieben.

Sie beschloss also die Reise anzutreten. Schon im Vorfeld warteten einige Hürden auf sie: Visum, Impfungen, Malaria-Tabletten – das komplette Programm. Und dennoch war sie voller Vorfreude endlich das kennen zu lernen, was man sonst nur aus Studium und den Medien kennt: Afrika.

Sie bekam die Chance bei einer einheimischen Familie zu wohnen und hat so hautnah einen Einblick in das Leben als Nigerianerin bekommen. Unter dem Namen Tokunbo, so nannte man Christina im Sinne von „kommt aus Übersee“, wurde sie herzlich aufgenommen.

Schnell begann Christina mit ihrer Arbeit vor Ort. In Kirchen und Jugendzentren klärte sie über HIV und AIDS auf. Für sie hieß das natürlich auch, sich Fachwissen anzueignen und dazuzulernen, denn in ihrer Kultur sind HIV und AIDS keine alltäglichen Themen. Zusammen mit ihrem Betreuer Godwin Kudi hat sie kostenlose Untersuchungen, Impfungen und Medikamentenausgaben organisiert. Auch an repräsentativer Arbeit fehlte es nicht. Regelmäßig musste sie wichtige Obas (lokale Könige) treffen, jede Menge Hände schütteln und sich mit unbekannten Menschen auf ein Foto quetschen.

Ihr persönlicher Höhepunkt war die Unterstützung eines kleinen Waisenhauses für HIV- und AIDS-Waisen. Seit 2006 finden dort Waisenkinder Unterschlupf, die das Schicksal von zahlreichen anderen HIV- und AIDS-Waisen in Lagos teilen. Obwohl alle Kinder nachweislich „negativ“ getestet wurden, bereitet ihnen mangelnde Aufklärung eine schwere Zeit. Da ihre Eltern an AIDS starben, wurden sie aus Angst von den übrigen Verwandten verstoßen. Ihren Retter fanden sie in Godwin Kudi – Berater und Wegbegleiter für HIV- und AIDS-Kranke. Er nahm die Kinder privat auf, bekam dabei keinerlei Unterstützung von einer staatlichen Instanz und verteilte deshalb seine Zeit auf zwei Jobs und „Betteln“. Für Kindererziehung und Fürsorge blieb dabei wenig Zeit.

Die Arbeit während des Praktikums umfasste hauptsächlich das Betteln um Spenden und Lebensmittel. Doch es war vor allem die unerträgliche Wohnsituation der Kinder, die Christina ständig beschäftigte und ihr letztlich einfach nicht mehr aus dem Kopf ging: zwei kleine Zimmer für sieben Kinder und einen Leiter, zwei durchgelegene und schmutzige Matratzen, keine Toiletten, keine Duschen, kein fließend Wasser, kein Tisch, um gemeinsam zu essen oder Hausaufgaben zu erledigen, keine liebevolle Betreuung.

Auch wenn sie den Kindern mit einer Einladung ins Kino oder mit gemeinsamem Pfannkuchenbacken viel Freude bereitete, konnte sie damit das eigentliche Problem nicht an der Wurzel packen. Sie wollte mehr tun…

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